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Otto Groll – 60 Jahre Leiter der Chorgemeinschaft Dülmen

Laudatio von Dr. Wolfgang Werner

Sehr verehrter Herr Groll, sehr verehrte Mitglieder der Chorgemeinschaft Dülmen, sehr verehrte Gäste,

nichts ist einfacher als eine Laudatio zu 60 Jahren Otto Groll mit der Chorgemeinschaft Dülmen zu halten. Bieten sie doch eine überreiche Fülle an herausragenden Leistungen, überwältigenden Erfolgen, bedeutenden Innovationen, die bei vielen Gelegenheiten gewürdigt, hoch dekoriert und gefeiert wurden.

Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich nicht auf triumphale Konzerte auf 4 Kontinenten, an bedeutenden Orten, mit bis zu 5 Chören und herausragenden Solisten eingehe, – wenn ich die Meisterchor- und Meisterdirigenten-Würden, die Musikproduktionen und das kreative kompositorische Schaffen mit mehr als 500 Werken nur erwähne.

Folgen Sie mit bitte stattdessen 60 Jahre zurück. Was passierte vor 60 Jahren? Einige von uns erinnern sich noch gut: Bundeskanzler Adenauer setzt sich mit Bundespräsident Heuss auseinander, in Amerika regiert Eisenhower, in Frankreich kehrt De Gaulle als Staatspräsident zurück. Der Aufschwung in Deutschland nimmt Fahrt auf, wir feiern den ersten Atomreaktor. Dinge die Geschichte sind.

In dieser Aufbruchsstimmung lebt ein Dülmener Student zwischen den Studienorten Münster und Köln. Dieser Jüngling von 23 Jahren wagt es, die Funktion des Chorleiters bei Germania Dülmen zu übernehmen, die ihm der damalige erste Vorsitzende Josef Tüns angeboten hat – für 2 oder 3 Chorproben. Dass daraus das Phänomen Otto Groll geworden ist zusammen mit seinen phänomenalen Chören, allen voran seinem Heimatchor Dülmen, das hat Josef Tüns sicher nicht geahnt. Der damalige Student der Mathematik und der Musik hat wohl vieles richtig gemacht.

Wie kann man aber eine solche Ausnahmestellung erreichen und sie dann über zwei Generationen durchhalten? Wir alle wissen, es ist eine Frage des Könnens, des Wollens und des Dürfens.

Zum Können

Das außergewöhnliche fachliche Können von Otto Groll als Musiker, als Chorleiter, Stimmbildner, als Pädagoge oder als Organisator ist offenkundig und vielfach gewürdigt worden. Seine Führungsqualitäten und seine Fähigkeiten als Motivator werden geschätzt und sind Voraussetzung für einen Zusammenhalt über 60 Jahre.

Zum Wollen

Dass Otto Groll etwas erreichen will, was über den Alltag hinausgeht, zeigte sich schon früh. Mit 16 schon Leiter eines Schulchores und erste Kompositionen, mit 21 Solist bei einem Klavierkonzert, mit 23 Jahren Chorleiter,. mit 28 Kreischorleiter, erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben; er hat nicht nur einen Chor, sondern 5 Chöre zu Spitzenleistungen getrieben, die 16malige Erringung der Meisterchorwürde ist ein äußeres Zeichen seines unbändigen Willens.

Und nun zum dritten Punkt, dem Dürfen

Zum Dürfen gehört, dass das Umfeld einen solchen exzessiven Einsatz für Musik und Chorarbeit zulässt. Und hier ist zuallererst seine Ehefrau Gudrun Groll, genannt Heidi, zu nennen, die in vielen Fällen der Musik den Vortritt gelassen hat und die Karriere Ihres-Mannes nach Kräften gefördert hat. Ihr gilt heute ein besonderer Dank.

Zum Dürfen gehört auch ein Arbeitgeber, der es zulässt, dass die Schaffenskraft seines Oberstudienrates mit der Musik geteilt werden darf.

Und es gehören dazu viele Freunde, Helfer, Unterstützer, Begleiter, von denen viele hier versammelt sind.

Es gibt viele Menschen, die etwas erreichen wollen, die es dürfen und die das entsprechende Können mitbringen – und die dennoch im Mittelmaß verbleiben.

Um Spitzenleistungen zu erbringen, dazu gehört noch einiges mehr.

Ich werde es im Folgenden mit den vier Stichworten Fokussierung, Disziplin, Innovation und Leidenschaft beschreiben.

Aus der Erfahrung weiß man, Spitzenleistungen erfordern eine extreme Fokussierung auf die eigenen Fähigkeiten, den heute so genannten Kernkompetenzen. Beispiele sind Leichtathleten, die sich z.B. als 100m-Läufer auf nur eine Streckenlänge beschränken, um dort die Besten zu sein.

Diese Fokussierung ist bei Otto Groll schnell umschrieben:

Er hat die Karriere als Chordirigent gewählt, auch wenn ihm das Potential zu einer Pianistenkarriere bescheinigt wurde. Ausschließlich Männerchöre sind sein Fokus.

Auch als Komponist hat er sich im Wesentlichen auf die Chormusik beschränkt, auf den Punkt gebracht: er hat auf einem genau begrenzten Fachgebiet mit großer Breitenwirkung Höchstleistungen erbracht.

Disziplin

Genau genommen Selbstorganisation und Selbstdisziplin: es ist für mich eine unglaubliche Leistung über Jahrzehnte an 4 Abende in der Woche Probenarbeit mit 5 Chören durchzuführen, am Donnerstag sogar zuerst in Essen und dann in Dülmen – und das viele Jahre parallel zu seiner Tätigkeit als Oberstudienrat am CBG. Dazu kommen Konzerte, Konzertreisen, CD-Aufnahmen und irgendwie bleibt dann noch Zeit für das wichtige Komponieren.

Und es bleibt noch Zeit und Energie für die Erhaltung der Gesundheit und der Fitness – wovon man sich auch heute augenscheinlich überzeugen kann.

Disziplin fordert er auch von anderen – seine Chöre können ein Lied davon singen! So sind ihm in den Proben Geräusche, die nicht als Gesang zu identifizieren sind, ein Greul – was der oder die Verursacher unweigerlich zu spüren bekommen.

Eine weitere Voraussetzung für Spitzenleistung ist Innovation, ist Erneuerung. Wer nur die Vergangenheit in die Zukunft verlängert schafft keine Neuerungen, sondern allenfalls marginale Verbesserungen. Erforderlich ist ein deutlicher Bruch mit der Vergangenheit. Bekannt und berühmt werden zum Beispiel Künstler nur, wenn sie Neues, bisher nicht Gesehenes oder Gehörtes schaffen. Das betrifft Maler genauso wie Architekten und natürlich auch Musiker.

Otto Grolls Innovation ist, dass er die „Chormusik entstaubt“ hat, dass er den Rhythmus als wichtiges gestalterisches Element eingeführt hat, dass er Traditionelles mit Neuem verknüpft und das zu einem attraktiven Chorsatz verwebt. Es dürfte wohl kaum einen Chor im Deutschen Sängerbund geben, der nicht schon einen Chorsatz von Otto Groll gesungen hat, eine eigene Komposition oder ein Arrangement. Mit einer Fülle von begeisternden Melodien hat er die Chormusik in hohem Maße bereichert und befruchtet.

Der für wirkliche Neuerungen erforderliche Bruch mit der Vergangenheit muss sich nach Groll auch in äußeren Zeichen widerspiegeln. Ich zitiere aus einem Groll-Aufsatz von 1970: „als erster, aber entscheidender Schritt wäre die Umbenennung unserer Chöre in schlichte, ein musikalisches Programm einschließende Bezeichnungen. Namen wie Teutonia, Germania, Deutsche Eiche, Edelweiß, Eintracht, Frohsinn, Heideblümchen und Gemütlichkeit sollten verschwinden. … Der Weg, der in die Zukunft führt kann nur ohne Vereinszöpfe begangen werden.“ Zitat Ende. Und hier haben Sie den Grund, weshalb Germania Dülmen seit 1966 Chorgemeinschaft Dülmen heißt.

Und nicht zuletzt braucht es für Spitzenleistungen Leidenschaft: „con passione“ wie Otto Groll es gerne beschreibt. Mit Herz und heißem Blut für modernen, attraktiven Chorgesang eintreten.

Was ist bei allem die Rolle des Chores?

Jeder Chor giert danach, einen Leiter zu haben, der ihn fordert, bis an die Grenze zur Überforderung, ohne diese zu oft zu überschreiten. Einen Leiter, er jeden motiviert, mit Freude und Spannung zur nächsten Chorprobe zu kommen und emotionale Höhepunkte in vom Publikum gefeierten Konzerten zu erleben. Für den Dirigenten ist wichtig, dass der Chor ein Garant für hohes musikalisches Niveau ist, mit dem er experimentieren kann, der seine neuesten Kompositionen ausprobiert und der mit seinem Vorsitzenden, seinem Vorstand und allen Mitgliedern die gleichen Ziele verfolgt wie er.

Diese Symbiose zwischen Chor und Chorleiter ist mit Otto Groll und der Chorgemeinschaft Dülmen als seinem Heimatchor jetzt über 60 Jahre gelungen.

Und mit der eben erwähnten Leidenschaft komme ich zum Ende.

Sprache ist nach Hegel das Schwungrad des Denkens und ich will ergänzen, „Musik ist das Schwungrad der Emotionen und Lebensfreude“. In dieser Kombination – Wort und Musik – ist Chorgesang die Ultima Ratio für umfassendes Erleben von Freude, Hochstimmung und Begeisterung bei den Zuhörern und den Sängern.

Lieber Herr Groll, mit Ihrem 60 jährigen Wirken zusammen mit der Chorgemeinschaft haben Sie uns erfreut und bereichert und Landmarken in der Musiklandschaft gesetzt. Wir danken Ihnen dafür, wünschen Ihnen ungebrochene Schaffenskraft und freuen uns auf das nächste Fest, nach dem heutigen Diamantenen das Eiserne Jubiläum von Otto Groll und der Chorgemeinschaft Dülmen.


Dr. Wofgang Werner

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